1. Kleine Aster
Ein ersoffener Bierfahrer wurde auf den Tisch gestemmt.
Irgendeiner hatte ihm eine dunkellila Aster
zwischen die Zähne geklemmt.
Als ich von der Brust aus
unter der Haut
mit einem langen Messer
Zunge und Gaumen herausschnitt,
muss ich sie angestossen haben, denn sie glitt
in das nebenliegende Gehirn.
ich packte sie ihm in die Brusthöhle
zwischen die Holzwolle,
als man zunähte.
Trinke dich satt in deiner Vase!
Ruhe sanft,
kleine Aster!
2. Drohung
Aber wisse:
Ich lebe Tiertage. ich bin eine Wasserstunde.
Des Abends schläfert mein Lied wie
Wald und Himmel.
Meine Liebe weiss nur wenig Worte:
Es ist so schön and deinem Blut.
3. Mann Und Frau Gehen Durch Die Krebsbaracke
Hier diese Reihe sind zerfallene Schösse und diese Reihe ist zerfallene Brust
Bett stinkt bei Bett. Die Schwestern wechseln stündlich.
Komm, hebe ruhig diese Decke auf. Sieh, dieser Klumpen Fett und faule Säfte,
das war einst irgendeinem Mann gross und hiess auch Rausch und Heimat.
Komm, sieh auf diese Narbe an der Brust. Fühlst du den Rosenkranz vor weichen Knoten?
Fühl ruhig hin. Das Fleisch ist weich und schmerzt nicht.
Hier diese blutet wie aus dreizig Leibern. Kein Mensch hat so viel Blut.
Hier dieser schnitt man erst noch ein Kind aus dem verkrebsten Schofl.
Man lässt sie schlafen. Tag un Nacht. – Den Neuen sagt man: hier schläft man sich gesund.-
Nur sonntags für den Besuch lässt man sie etwas wacher.
Nahrung wird wenig noch verzehrt. Die Rücken sind wund. Du siehst die Fliegen.
Manchmal wäscht sie die Schwester. Wie man Bänke wäscht.
Hier schwillt des Acker schon um jedes Bett. Fleisch ebnet sich zu Land. Glut gibt sich fort.
Saft schickt sich an zu rinnen. Erde ruft.
4. Saal Der Kreisenden Frauen
Die ärmsten Frauen von Berlin
– dreizehn Kinder in anderthalb Zimmern,
Huren, Gefangene, Ausgestossene –
krümmen hier ihren Leib und wimmern.
Es wird nirgends so viel geschrieen.
Es wird nirgends Schmerzen und Leid
so ganz und gar nicht wie hier beachtet,
weil hier eben immer was schreit.
''Pressen Sie, Frau! Verstehn Si, ja?
Sie sind nicht zum Vergnügen da,
Ziehn Sie die Sache nicht in die Länge.
Kommt auch Kot bei dem Gedränge!
Sie sind nicht da, um auszuruhn.
Es kommt nich selbst. Sie müssen was tun!
Schließlich kommt es: bläulich und klein.
Urin und Stuhlgang salben es ein.
Aus elf Betten mit Tränen und Blut
grüsst es ein Wimmern als Salut.
Nur aus zwei Augen bricht ein Chor
von Jubilaten zum Himmel empor.
Durch dieses kleine fleischerne Stück
wird alles gehen: Jammer und Glück.
Und stirbt es dereinst in Röcheln und Qual.
Liegen zwölf andere in diesem Saal.
5. Curettage
Nun liegt sie in derselben Pose, wie sie empfing,
die Schenkel lose im Eisenring.
Der Kopf verstömt und ohne Dauer, als ob sie rief:
gib, gib, ich gurgle deine Schauer bis in mein Tief.
Der Leib noch stark von wenig Aether und wirft sich zu:
nach uns die Sintflut und das Später nur du, nur du...
Die Wände fallen, Tisch und Stühle sind alle voll von Wesen, krank
nach Blutung, lechzendem Dewühle und einem nahen Untergang.
6. Schöne Jugend
Der Mund des Mädchens, das lange im Schilf gelegen hatte,
sah so angeknabbert aus.
Als man die Brust aufbrach, war die Speiseröhre so löcherig.
Schliesslich in einer laube unter dem zwerchfell
fand man ein Nest von jungen Ratten.
Ein jkleines Schwesterchen lag tot.
Die anderen lebten von Leber und Niere,
tranken das kalte Blut und hatten
hier eine schöne Jugend verlebt.
Und schön und schnell kam auch ihr Tod:
Man warf sie allesamt ins Wasser.
Ach, wie die kleine Schnautzen quietschten.
7. Requiem
Auf jedem Tisch zwei. Männer und Weiber
kreuzweis. Nah, nackt, und dennoch ohne Qual.
Den Schädel auf. Die Brust entzwei. Die Leiber
gebären nun ihr allerletztes Mal.
Jeder drei Näpfe voll: von Him bis Hoden.
Und Gottes Tempel und des Teufels Stall
nun Brust und Brust auf eines Kübels Boden
begrinsen Golgatha und Sündenfall.
Der Rest in Särge. Lauter Neugeburten:
Mannsbeine, Kindebrust un Haar vom Weib.
Ich sah, von zweien, die dereinst sich hurten,
lag es da, wie aus einem Mutterleib.
8. Negerbraut
Dann lag auf Kissen dunklen Bluts gebettet
der blonde Nacken einer weissen Frau.
Die Sonne wütete in ihrem Haar und leckte ihr
die hellen Schenkel lang
und kniete um die bräunlicheren Brüste, nicht unentstellt durch Laster und Geburt.
Ein Nigger neben ihr: durch Pferdehufschlag
Augen und Stirnzerfetzt.
Der bohrte zwei Zehen seines schmutzigen
linken Fusses ins Innere ihres kleinen weissen Ohrs.
Sie aber lag und schlief wie eine Braut:
am Saume ihres Glücks
der ersten Liebe und wie vorm Aufbruch vieler
Himmelfahrten des jungen warmen Blutes.
Bis man ihr das Messer in die weisse Kehle
senkte und einen Purpurschurz aus totem Blut
ihr um die Hüften warf.
9. Mutter
Ich trage dich wie eine Wunde
auf meiner Stirn, die sich nicht schliesst.
Sie schmerzt nicht immer. Und es fliesst
das Herz sich nicht draus tot.
Nur manchmal plötzlich bin ich blind und spüre
Blut im Munde.
10. Kreislauf
Der einsame Backenzahn einer Dirne,
die unbekannt verstorben war,
trug eine Goldplombe.
Die übrigen waren wie auf stille Verabredung
ausgegangen.
Den schlug der Leichendiener sich heraus,
versetzte ihn und ging für tanzen.
Denn, sagte er,
nur Erde solle zur Erde werden.
11. Der Arzt II
Dir Krone der Schöpfung, das Schwein, der Mensch –
geht doch mit anderen Tieren um!
Mit siebzehn Jahren Filzläuse,
zwischen üblen Schnauzen hin und her,
Darmkrankheiten und Alimente,
Weiber und Infusiorien,
mit vierzig fängt die Blase an zu laufen –:
meint ihr, um solch Geknolle wuchs die Erde
von Sonne bis zum Mond –? Was kläfft ihr denn?
Ihr sprecht von Seele – Was ist eure Seele?
Verkackt die Greisin Nacht für Nacht ihr Bett –
schmiert sich der Greis die mürben Schenkel zu,
und ihr reicht Frass, es in den Darm zu lümmeln,
meint ihr, die Sterne samten ab vor Glück.
Ah! – Aus erkaltendem Gedärm
spie Erde wie aus anderen Löchern Feuer
eine Schnauze Blut empor –:
das torkelt den Abwärtsbogen
selbstgefällig in den Schatten
12. Erde Ruft
Hier diese Reihe sind zerfallene Schösse und diese Reihe ist zerfallene Brust
Bett stinkt bei Bett. Die Schwestern wechseln stündlich.
Komm, hebe ruhig diese Decke auf. Sieh, dieser Klumpen Fett und faule Säfte,
das war einst irgendeinem Mann gross und hiess auch Rausch und Heimat.
Komm, sieh auf diese Narbe an der Brust. Fühlst du den Rosenkranz vor weichen Knoten?
Fühl ruhig hin. Das Fleisch ist weich und schmerzt nicht.
Hier diese blutet wie aus dreizig Leibern. Kein Mensch hat so viel Blut.
Hier dieser schnitt man erst noch ein Kind aus dem verkrebsten Schofl.
Man lässt sie schlafen. Tag un Nacht. – Den Neuen sagt man: hier schläft man sich gesund.-
Nur sonntags für den Besuch lässt man sie etwas wacher.
Nahrung wird wenig noch verzehrt. Die Rücken sind wund. Du siehst die Fliegen.
Manchmal wäscht sie die Schwester. Wie man Bänke wäscht.
Hier schwillt des Acker schon um jedes Bett. Fleisch ebnet sich zu Land. Glut gibt sich fort.
Saft schickt sich an zu rinnen. Erde ruft.