1. Gefrierpunkt
Es geschah heute Nacht.
Der Vater der Schlange war in seinem Betrug erfolgreich.
Ein Zweig brach vom Wasser und der See gefror.
Spiegelte sich immer nur in sich selbst.
Ein Zeichen, geritzt in der kältesten der Nächte, durchstieß die Oberfläche.
Es tropft.
Es rinnt herab am Stamm,
gefriert
und wird
Dorn.
2. Kollapsar
Was war das?! Die Kälte schlug zu nahe
gefroren fällt das Feuer von den Sternen
die Schlange erzüngelte den Grund und erstarrte
Sturz des Reiters in den Schatten gerissen vom Dorn
blutend flieht das Pferd aus dem Dom des Sturms
Einschlag tief drang der Dorn
schweigend reißt das Sinngewebe
rasend gefriert die Zeit
ewig scheint der Fall
Zerworfen in den Ereignishorizont
ein Damals dem kein Licht entkommt
dehnt Momente zum Immer Wieder
akkretiert die Sphäre
und es verzerrt die Welt
dunkler Masse Leere
krümmt zum Bruch das Sternenzelt
ein unbedingtes Schwere...
...fällt
Einschlag tief drang der Dorn
schweigend reißt das Sinngewebe
rasend gefriert die Zeit
Still Stand
Grundbruch tief drang der Dorn
ich erstarre
grundlos scheint der Fall
tiefer noch sein Nachhall
Etwas verwest in uns.
Unter diesem dünnen Lack aus Anstand, Moral und Zivilisation gärt abgestandenes Menschsein.
Und wenn die Membran reißt wird die Welt ertrinken.
In einem Meer aus Blut, Tränen und Pisse.
3. Unter Dem Gletscher
Einst war Hagelschlag
Korn gegen Korn
Himmel gegen Erde
nun Erinnerung
Jahrtausende des Winters
tragen tote Zweige
zum Ende zum Innern
nun Verinnerung
Fern der Sonne kriecht es
langsam unaufhaltsam
lichtlose Tiefen
tragen Zeichen unbemerkt
Brüche fallen
alter Hagel mahlt den Stein
Gedächtnis aus Eis. Tote Männer im Kristall.
Gefrorene Schatten im Querschlag.
Ich bin dort, wo alles still steht und wartet.
Risse im Gefirst, Feuchtigkeit aus einem Verhängnis ganz nah beim Firmament.
Es ist der Wund-Tau der Zeit. Langsam entbirgt sich die Flut...
es kriecht
es mahlt
es rinnt
es naht
4. Nebelspinne
Ein Nebel hat die Welt so weich zerstört.
Es schuf einen Raum,
Blutlose Bäume lösen sich im Rauch.
Ein Netz von Stamm zu Stamm.
Und Schatten schweben, wo man Schreie hört.
Fasern ohne Gestalt
Brennende Biester schwinden hin
schwinden hin...
wie Hauch.
Gefangene Fliegen sind die Gaslaternen.
Im Bindegewebe
Und jede flackert, dass sie noch entrinne.
ein Moorlicht
Doch seitlich lauert glimmend hoch in Fernen
und nah und fern und nah und fern
der giftige Mond, die fette Nebelspinne.
zaghaft zieht sie Knochen.
Wir aber, die, verrucht, zum Tode taugen,
zerschreiten knirschend diese wüste Pracht.
Und stechen stumm die weißen Elendsaugen
wie Spieße in die aufgeschwollne Nacht.
Not Netz Nebelspinne.
Das Nebelgeschwür erbricht ein letztes Licht.
Der die das Mondin ist aus Eis.
[Tag 43:]
Benommenheit. Angst die Kammer zu verlassen, das Außen könnte fatal geworden sein.
Giftig schwebende Fragmente, Diffusion einer klebrigen Feuchtigkeit in die Wirklichkeit.
Sie bildet Schlieren, Fäden, Netz.
Zwischen hohlen Bäumen streunen diese Irrlichter, die gerne Sterne sein wollen.
In ihrem Schein werden Innenschatten lang. Begriffe, die sich endlos dehnen.
Eine Fehlschärfe in den Zeichen schafft beständig neue Abhängigkeiten ohne Notwendigkeit von Verbindung.
Ende der Übertragung.
5. Praeludium Eclipsis
(инструментал)
6. Tiefer Als Der Tag
Ich wurde ferner kalter Stern.
Permafrostverpanzert.
Kratervernarbt.
Bei absolut Null.
Ozeane tiefer als der Tag
treiben Gezeitenkraft,
zerren am Eisgrat.
Hebend, senkend.
Hebend, senkend.
Sedimente des Einschlags
krallen sich an schwarze Kamine
Steigend, sinkend.
Steigend, sinkend.
Lauter wird die Innenwelt.
Erdrängend wird das Leben.
Ich wurde ferner kalter Stern
und endlich stürzt die Hülle
in den Kern.
Das schrecklichste Gewitter ist nur ein lärmendes Schauspiel gegen diese todesstille Majestät...
Nichts mehr ist über mir und darum bin ich nichts.
Vernunft ist ein kaltes Licht.
Das Firmament öffnet sich.
Ich häute mich.
7. Nur Fragmente...
[Tag 92:]
Bin wirklich ich das gewesen?
8. Ende 1.3
Hinter dem Außen stürzte der Grund,
nahm sich das Verhängnis seinen wohlverdienten Leerlauf in das Innerste.
Der Nebelgänger übergab sich dem Scheinsein der Maske,
geschleudert an den kalten, leeren Strand gesprengter Brücken.
Strukturen gemeint für die Ewigkeit entkernt in einem Augenblick.
Und Staub. Von allen Wegen führt keiner mehr heim.
Wald und Hügel verstummen, zersprochen von Wiedergängern.
Wilde Sehnsucht vergießt sich ziellos lindernd,
nur für Momente, in Wunden, die nicht welken wollen.
Das Zimmerit, geworfen auf die Hülle, erstickt das Wachstum.
Alles ist nur bleiche Wiederkehr.
Am Anfang und am Ende steht das Nichts.
9. Europa Nach Dem Eis
Erst als es zaghaft zu tauen begann, wurde das ganze Ausmaß der Verwüstung sichtbar.
Irgendetwas war eingeschlagen wie 50 Megatonnen auf Novaja Semlja.
Die Grenzsteine waren in der Verwerfung verschwunden.
Was blieb, waren Ruinen am Rande des Kraters,
schemenhafte Ansichten, gespieen auf die heulende Erde.
Nichts davon war wirklich alt.
Doch schon so mancher hatte sich daran bedient.
Kinder der Leere, Propheten des Nichts.
Sie besetzten die Trümmer.
Sie erschufen nur Asche.
10. Aschevolk
Entrückend zog es sich in ferne Gräber
seinen Toten blieben nur Briefe (Schreie in der Nacht)
und alle erwachten in Trümmern
aus dem lauten Rausch
Die Erschütterung verstellte Worte
zerdachte durch bewachte Linien
ein träumendes Sütterlin
Aschevolk wohin floh deine Sprache
Verborgen vor der Vergangenheit
zwischen zwei Zeitzonen
wurden sie Zeitzeugen
als ein Heute sich gebar
Nichts in sich suchten sie ein Angesicht
für die zerstreute Innenwelt
verworfen auf die Grenzenerde
in Schemähren der Jahrtausende
Die Gezähe der Geschichte graben langsam
erstickt fanden sie den König am Berg
wo die Erstarrten an ihm nagen
Aschevolk wer verbarg deine Sterne
Aschevolk wohin floh deine Sprache
Aschevolk wer verbarg deine Sterne
Aschevolk mein Aschevolk
Wer versiegte deine Quelle.
Wir verinnern unseren Feuersturm
so oft wir können.
So lange wir können.
Dann entscheidet die Zeit.
11. Die Mühle
Gräsermeer, tauschwer
hebt sich so etwas wie Morgen
monochrom dröhnt grauer Dämmer
immer im Schatten der Mühle.
Ungetürm in Schall und Rauch
grundlos tief das Fundament
zieht den Schwarm in sein Uhrwerk
immer im Schatten der Mühle.
Oben schreien Rad und Stein
in der Mitte Massen mahlend,
unten rieselt Knochenstaub.
Immer im Schatten der Mühle.
Wie soll man leben
mit diesen Geschossen
eingeschlossen im Gehirn.
Immer im Schatten der Mühle.
12. Rattenkönig
[Tag 184:]
Mein Hass versucht mich wieder kalt zu starten.
Blinde krönen das Ahnengrab mit falschem Bernstein und geben sich sehend.
Dieser Blick aus Eis nichtet jede Heiligkeit.
Aufgedunsen tarnen sie mit Helmen, deren Flügel verbrochen sind, die schmale Stirn.
Wie konnte es soweit kommen...?
Lüstern wühlt die Angst
in den Scherben der Lügengeschichte
und schreit bei jedem Fund entzückt ICH!
gern verbirgt sich das Kriechtier
hinter dem Schein des Erhabenen
sein Wort aus Stein ist feindlich
Ichruinen halten Gericht
über vertretene Wege
ihr Geschrei ist Gift
ihr Rausch zerwegt die Welt
es regt sich Ekel
vor diesem scheinwerfenden
Saeculum
verharrend auf die Flut
das Blut des gehörnten Tieres
Óss. Lögr. Úr.
Diese Welt ist nicht die unsere.
Wir wollen sie nicht annehmen, wir wollen nicht in ihr leben, wir wollen sie nicht einmal beherrschen.
Diese Welt ist für jene, die sich um die faulenden Abfälle der Tafel ihrer Mächtigen balgen.
Jene, die sich selbst feiern in ihrem Saal, dunstig vom Atem der Aasfresser.
Jene, die Unrat mit Gold wiegen. Jeder Fraß schafft ihnen nur neuen Hunger.
Wir weisen das Verwesende von uns. Gehen wollen wir schon längst.
Fliehen in die Stille der Wälder, wo all ihr Geschrei kein Zweiglein rührt.
Doch sind wir geschlagen in Ketten.
Wimmelnd fängt sich das Gewürm
durch sich selbst in sich selbst
wird sein Versteck entdeckt
geifernd frisst sich das Gewürm
durch sich selbst mit sich selbst
und herrscht und herrscht
wir fraßen zu lange was sie ersprachen
Óss. Lögr. Úr.
13. Moorgänger
Es ist ein Kreuz im Fenn ein Zeichen im Nebel.
Tau der toten Zweige.
Es ist ein Bruch im Fenn gerissen vom Dorn.
Und tückisch sind die Trichter.
Leben.
Da ist ein Ort im Fenn, er richt nach alter Nacht
und der Weg dorthin ist seltsam, viele sind auf ihm verharrt.
Wie Spinnenfrau und Gräberknecht.
Verdammt zu ewig gleicher Tat
Mancher greift nach ihrem Fäden im Wind
oder flieht vor seinem Greinen.
Nicht wissend, dass sie nur Gespenster sind
die dem Wanderer seine Freiheit neiden.
Immer immer wieder spinnt sie nur den gleichen Faden
un verbleibt in ihrem Dickicht.
Immer wieder gräbt er, schultert stolz den Spaten
und findet sich nicht.
Aus Nebel werden Fäden
auf zweigdurchtränktem Grund
wandelt webt das Unbedingte
ein ewiges Jetzt.
Die Sichel schneidet, Not knüpft das Netz neu.
De Sichter schnedet, Naut knepet Netz ner.
Sigder schert, Neider kneit Netz nur.
Sidðr sker, Nauðr knýtr Net nýr.
14. Lichtmess
[Tag 243:]
In all diesem Tod ist kein Tod. Und keine Hoffnung.
Es gibt nichts zu hoffen. Nur anzunehmen.
Das Gefäß leert sich voll von Möglichkeit.
Das Nichts pulsiert.
15. Sól
Sól ek sá, sanna dagstjörnu
drúpa dynheimum í;
en Heljar grind heyrða ek
á annan veg þjóta þungliga.
Sól ek sá, á sjónum skjálfandi,
hræzlufullr ok hnipinn;
þvíat hjarta mitt var heldr mjök
runnit sundr í sega.
Ich sah die Sonne zitternd stehen
wie zum letzten Mal.
Ich sah die Sonne untergehen
wie für immer geworfen auf die Erde.
Sól ek sá, setta dreyrstöfum,
mjök var ek þá ór heimi hallr;
máttug hon leizk á marga vegu
frá því er fyrri var.
Ich sah die Sonne auferstehen,
steigen, sinken, steigen, sinken.
Ich sah die Sonne langsam schwinden.
Beugte mich im letzten Licht meinen Schatten zu finden.